Die Idee für diese Tour spukte mir schon länger durch den Kopf: Wieso nicht mal dort eine Wandertour machen, wo ich aufgewachsen bin?
Schließlich kann man überall wandern und es muss nicht immer ein Premiumwanderweg sein, um ein besonderes Wandererlebnis zu haben. Denn das Abenteuer beginnt direkt vor der Haustür. In meinem Fall im Dortmunder Stadtteil Derne. Denn ich wollte noch mal auf die Berge meiner Kinder- und Jugendzeit steigen und die Gegend wandernd erkunden.
Da wo ich wech komm
Den Großteil meiner Kindheit und Jugend habe ich in Dortmund-Derne verbracht. Der kleine Vorort im Norden von Dortmund blickt auf eine fast 1.000 jährige Geschichte zurück und war im 20. Jahrhundert stark geprägt vom Bergbau und der Kohleförderung. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass bei uns die Fensterbänke schwarz waren, wenn in der Kokerei aus Kohle Koks erzeugt wurde. Direkt hinter unserem Haus fuhr die Zechenbahn, die in endlosen Wagons die Kohle aus der Zeche Gneisenau abtransportiert hat. In der Ferne hörte man die Förderbänder rauschen. Mehr Ruhrpott geht quasi nicht.
Trotzdem war es nicht so trostlos und grau, wie ihr es euch jetzt vielleicht vorstellt und die Filme und Fotos aus der Zeit suggerieren. Ich hatte eine schöne und glückliche Kindheit und war jede freie Minute draußen in der Natur. Denn auch die gab es direkt vor der Haustür. Nur war dazwischen die Zeche, ein Gasometer, Abraum- und Kohlehalden und die Zechenbahn. Was uns aber nicht davon abgehalten hat, auf dem Zechengelände zu spielen. Auch wenn das nicht ganz so ungefährlich war.
Die Berge meiner Kindheit
Schon länger wohne ich nicht mehr in Derne und der Ort ist seit der Einstellung des Betriebes der Zeche Gneisenau grüner, sauberer und ruhiger geworden. Trotzdem erinnern noch heute die Halden sowie die unter Denkmalschutz stehenden Fördergerüste an den Bergbau. Ich erinnere mich gerne an meine Kindheit in Derne zurück. Daher wollte ich noch mal auf die Abraum- und Kohlehalden steigen und die Orte meine Kinder- und Jugendzeit zu Fuß erkunden. Eine Karte brauche ich nicht. Denn die Umgebung und die Wege kenne ich wie meine Westentasche. Auch wenn sich in der Zwischenzeit viel verändert hat. Getz aber ma wacker inne Puschen kommen!
Auf die Berghalde Victoria III / IV
Die Tour beginnt direkt hinter meinem Elternhaus. Wo früher die Zechenbahn gefahren ist, verläuft jetzt die „Gneisenau-Trasse“, ein Rad- und Wanderweg auf dem ich Richtung Lünen-Gahmen laufe. Mein Ziel ist die Berghalde Victoria III / IV. Die Blätter der Bäume rechts und links des Weges sind prachtvoll, herbstlich rot und gelb gefärbt. Das es wie aus Eimern gießt stört mich nicht. Ganz im Gegenteil. So habe ich unterwegs wenigstens mehr Ruhe auf diesem beliebten Spazierweg.
Der Weg verläuft eine ganze Weile geradeaus, durch ehemalige Eisenbahntunnel und über Wiesen und Felder. Schon vom weiten sehe ich die Halde, die sich auf einer großen Grundfläche über die Umgebung erhebt. Charakteristisch für die Halde Victoria ist die geometrische Grundform und das riesige, ebene Gipfelplateau.
Dann geht es auch schon aufwärts und ich erreiche kurze Zeit später das Gipfelplateau auf ca. 80 Meter Höhe. Der Weg führt mich rings um die Fläche, die mit Bäumen und Wiesen üppig bewachsen ist. An einigen freigeschnittenen Hängen bietet sich immer mal wieder ein Ausblick über die nähere Umgebung. Als ich einmal fast rum bin, zweigt ein kaum erkennbarer Pfad rechts ab und es geht auf einem schmalen Singletrail in Serpentinen die Halde runter.
Horstmarer See
Unten angekommen geht es durch Lünen-Süd Richtung Horstmarer See. Ich passiere ein Bergmannmuseum, vor dem eine Kohlelore steht und komme schließlich zum alten Preußenhafen am Datteln-Hamm-Kanal. Wo früher Kohlefrachter festgemacht haben und Kohle verladen wurde, ist jetzt ein Wasserwander-Rastplatz mit einer langen und breiten Anlegeplattform für Sportboote, Kajaks, Kanus oder Schlauchboote. Das nenne ich mal Strukturwandel!
Der Weg führt mich weiter entlang am Kanal zum Horstmarer See, der künstlich angelegt wurde und ein beliebtes Naherholungsgebiet ist. Wie viele Sommer habe ich hier im Sand gelegen und mich im Wasser abgekühlt? Bei dem Regenwetter heute ist aber weit und breit keine Menschenseele zu sehen. Nur Enten, Gänse und Schwäne tummeln sich im Wasser und auf dem breiten Sandstrand. Auf der anderen Seeseite, sehe ich schon mein nächstes Ziel: Die Preußenhalde.
Auf die Halde Preußen in Lünen
Die Preußenhalde liegt im Lüner Ortsteil Horstmar und wurde bis zur Schließung der Zeche Preußen im Jahre 1929 aufgeschüttet. Die Bergehalde gehörte 1996 zum Gelände der Landesgartenschau in Lünen und seit dem kann man die Halde auf einem ringförmigen Weg erkunden, dem auch ich folge.
In der Mitte gibt es einen größeren, kraterartigen Kessel, durch den wir als Kinder mit unseren BMX Rädern gefahren sind. Der Boden ist dunkel schwarz und Teile der Halde sind mit Bäumen und Büsche bewachsen. Kurze Zeit später habe ich den Aussichtspunkt auf 85 Meter Höhe erreicht und blicke über den Horstmarer See, den Kanal und Richtung Münsterland. Am Horizont kann ich gerade noch so das rote Dach des Cappenberger Schlosses ausmachen. Ker, is dat schön hier!
Naturschutzgebiet Lanstroper See
Weiter geht es Richtung Lanstroper See. Vorher komme ich noch an Eisenbahnschienen vorbei, auf denen schon lange kein Zug mehr gefahren ist. Ich passiere den Preußenbahnhof (in dem ich als Jugendlicher oft zum feiern war) und laufe weiter nach links entlang einer Schnellstraße Richtung Lanstrop.
Das Naturschutzgebiet Landstroper See ist 1963 durch eine Bergsenkung entstanden. Dabei wurde der Grundwasserspiegel erreicht und das Gebiet dauerhaft überflutet. Nach dem ich die A2 überquert und die unschöne Schnellstraße hinter mich gebracht habe, zweigt der Weg nach rechts zum Lanstroper See in das Naturschutzgebiet ab.
Der Schotterweg verläuft parallel zum See mit Blick auf den Wasserturm, den wir in Dortmund liebevoll „Lanstroper Ei“ nennen. Dann zweigt der Weg nach rechts ab und führt auf einem Holzsteg ganz nah am Schilf- und Röhrichtgürtel des Sees vorbei. Der See ist richtig idyllisch gelegen, nur das Wetter leider ziemlich trostlos. Trotzdem passt gerade alles zusammen. Ich sauge die Atmosphäre gierig auf und laufe dann weiter durch die Wiesen und Hecken Richtung Hienbergwald, der etwas nördlich vom See liegt.
Der Laubwald bietet zusammen mit dem See Lebensraum und Brutgebiet für zahlreiche Vogelarten und grenzt an die Dortmunder Mülldeponie „Nord-Ost“. Der künstliche Berg ist auch mein nächstes Gipfelziel, denn ein Teil der Mülldeponie wurde rekultiviert und mit einem Wanderwegnetz übergangslos an das Naturschutzgebiet Lanstroper See angeschlossen.
Auf die Greveler Alm
Die bei uns als „Greveler Alm“ bekannte Deponiespitze bietet einen schönen Rundumblick und ist der letzte Berg meiner Wanderung auf die Gipfel meiner Kindheit. Vorher muss ich jedoch den steilen Aufstieg bewältigen, der zwar kurz aber dafür knackig ist. Mein lieber Scholli, dass man Müll so hoch stapeln kann!
Der Weg führt mich in Serpentinen Stück für Stücker höher und führt dann über das mit Gräsern, Büschen und Pionierpflanzen bewachsene Gipfelplateau. Durch die Renaturierung haben sich auch hier auf dem brachliegenden Gebiet viele Tier- und Pflanzenarten angesiedelt. Ist schon erstaunlich, wie schnell die Natur sich Lebensraum zurück erobert. Von hier oben ergibt sich ein herrlicher Rundumblick über Derne, Lanstrop, Grevel und Scharnhorst bis hin zum Cappenberger Schloss und den Ausläufern des Haarstrangs. Bei schönem Wetter ist die Aussicht sicherlich besser, trotzdem genieße ich den Blick von oben über meine alte Heimat.
Die Zeche Gneisenau
Der Abstieg führt mich auf der anderen Seite der Halde wieder hinunter. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich meinen, ich wandere auf einem normalen Berg hinab ins Tal. Weiter geht es durch den Dortmunder Ortsteil Hostedde, bis ich schließlich am Bahnhof Derne auf das alte Zechengelände des Steinkohlen-Bergwerks Gneisenau einbiege. Ich kommen an den großen Doppelbock-Fördergerüst und dem kleineren Tomson-Fördergerüst vorbei, die als Industriedenkmal erhalten geblieben sind. Beide erinnern noch heute an den Steinkohleabbau in Derne und an die vielen Menschen, die “auf’m Pütt” mit harter, ehrlicher Arbeit ihr Geld verdient haben. Heute ist aus den großen Betriebsflächen ein Gewerbegebiet geworden auf dem u.a. ein Einzelhandelszentrum errichtet wurde. Der große Gasometer, der etwas westlich stand und das Ortsbild lange Jahre geprägt hat, steht heute leider nicht mehr.
Ich laufe weiter die Gneisenauallee entlang, die durch das Gewerbegebiet führt. Ich komme auf die Straße „Auf der Wenge“, die seit dem Bau der B 236 eine Sackgasse war und für Autos gesperrt wurde. Dabei erinnere ich mich mit Wehmut an meine Kindheit in Dortmund-Derne zurück. Als wir hier als Kinder auf den Wiesen, Halden und am Gasometer gespielt haben und danach selbst schwarz wie Bergmänner aussahen. Wie wir mit Rädern und Schlitten die Hänge runter gefahren sind. Buden gebaut haben und auf Bäume geklettert sind. Geldstücke auf die Eisenbahnschienen gelegt haben, damit ein Zug sie überfährt. Wie wir mal eine Wiese am Gasometer unabsichtlich in Brand gesteckt haben und dafür richtig Ärger bekommen haben. Aber das ist eine andere Geschichte.
Schließlich erreiche ich ein wenig schwermütig wieder die „Gneisenau-Trasse“ und eine schöne Wanderung geht zu Ende. Glück Auf!
Mein Fazit
Die Wanderung bot eigentlich alles, was eine abwechslungsreiche Tour ausmacht: Berge, Seen, schmale Pfade und ein tolles Naturerlebnis. Denn die einstigen Abraum- und Kohlehalden sind zu wunderschönen Naturlandschaften geworden und bieten heute vielen bedrohten Pflanzen- und Tierarten einen Lebensraum. Daneben bot die Wanderung auch viel Industriekultur, die von der Kohle geprägten Vergangenheit der Region erzählt und den Strukturwandel hautnah erlebbar macht. Wat willze mer?
Die Wanderung auf die Berge meiner Kindheit war jedoch auch meine bisher persönlichste Wanderung. Denn die Tour war auch eine Reise in meine Kinder- und Jugendzeit, bei der ich mit Wehmut an die vielen Abenteuer und Erlebnisse als Kind erinnert wurde. Das ich in Derne und im Ruhrgebiet aufgewachsen bin hat mich geprägt und wird immer ein Teil meiner Identität bleiben. Weisse Bescheid!
Meine Aufzeichnung der Tour bei Social Hiking
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Sehr geehrter Herr Verfasser Ihres Artikels: Genau zu Ihrem Thema veröffentlichen wir die Chronik
„Leuchtende Köpfe der Zeche Preußen I
der Harpener Bergbau-AG im Süden von Lünen“
Nach unserer Meinung wäre das etwas für Ihre Interessenlage
Beste Grüße aus Lünen
Kunstverein Lünen
Georg Almus
Hallo Herr Almus,
absolut!
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