Leichter Nieselregen. Wir trauen unseren Augen nicht, als wir beim Frühstück aus dem Fenster schauen. „Für heute war doch Sonnenschein vorhergesagt!“ Wir sind völlig entrüstet und verfluchen sämtliche Wetter Apps, die mir ihren Prognosen für heute völlig daneben lagen. Aber so ist das mit der Wettervorhersage. Darauf verlassen kann man sich selten. Heute sind wir jedoch so optimistisch, dass wir die Hardshell mit einer kurzen Hose kombinieren. Dann muss die Sonne ja raus kommen!
Tag 3: Auf dem Urwaldsteig von Schmittlotheim nach Hemfurth
Auf die beiden Etappen auf dem Urwaldsteig und den Natur- und Nationalpark Kellerwald-Edersee haben wir uns schon unheimlich gefreut. Schließlich haben wir nur positives über den Rundwanderweg um den Edersee gehört und gelesen. Damit wir an zwei Tagen möglichst viel von dem Qualitätsweg erwandern können, haben wir für den heutigen Tag die Etappen 2 und 3 des Urwaldsteigs kombiniert und laufen entgegen dem Uhrzeigersinn und eigentlichen Wegverlauf von Schmittlotheim nach Hemfurth. Auch wenn beide Etappen sich auf 25 km und 1.070 Höhenmeter Aufstieg addieren.
Bis es soweit ist, müssen wir aber erst wieder die steil erhebenden Ederberge erklimmen um auf den Ederhöhenpfad zu gelangen, der dann schließlich auf den Urwaldsteig trifft. Und das am frühen morgen in einer Hardshell! Aber wenig später sind wir auch schon oberhalb von Schmittlotheim und haben einen schönen Ausblick auf den Ortskern mit seinen sehenswerten Fachwerkhäusern. Kurze Zeit tauchen wir auch schon in den Nationalpark Kellerwald-Edersee ein.
Nationalpark Kellerwald-Edersee
Der hessische Nationalpark Kellerwald-Edersee ist UNESCO-Weltnaturerbe und von der IUCN (International Union for Conservation of Nature) als Nationalpark der Schutzgebietskategorie II zertifiziert. Also eine richtig hohe Hausnummer, was die internationale Bedeutung angeht. Denn damit steht er z. B. auf einer Stufe mit dem Grand Canyon, Yellowstone Nationalpark oder Great Barrier Reef. Was den 6.000 ha großen Nationalpark Kellerwald-Edersee so besonders macht, ist der in seiner Größe und Durchgängigkeit für Westeuropa einmalige Rotbuchenwald, welcher zudem eine große Artenvielfalt beherbergt. Nach dem Motto „Natur Natur sein lassen“ wird in dem Nationalpark dieses Naturerbe geschützt, in dem sich die Wildnis weiter ungestört entwickeln kann.
Weißes UE auf blauem Grund
Bald schon folgen wir dem Markierungszeichen des Urwaldsteigs, ein weißes UE auf blauem Grund. Und sofort fällt uns diese andere Art des Waldes auf: Der Wald wirkt irgendwie ungeordneter und abwechslungsreicher. Unterschiedliche Bäume und Waldformationen lassen den Wald viel natürlicher wirken. Jahrhunderte alte Baumriesen zeugen von dem hohen Alter des Waldes. Überall steht oder liegt Totholz, welches sich in verschiedenen Stadien des Zersetzungsprozesses befindet. Der Kreislauf des Lebens ist hautnah sichtbar. Immer mal wieder liegen auch Bäume quer auf oder über dem Weg. Hier räumt keiner auf und hält den Weg frei. Die Atmosphäre nimmt uns sofort gefangen und wir sind total begeistert von dem urwüchsigen Wald.
Loreley des Edertals
Weiter geht es durch knorrige Eichen-Buchenwälder. Wir kommen am Aussichtspunkt Hagenstein vorbei, der auch wegen seiner einzigartigen Aussicht „Loreley des Edertals“ genannt wird. Mittlerweile hat auch der Regen aufgehört und wir nutzen die Gelegenheit unsere Hardshells wieder im Rucksack zu verstauen. Ein kurze Pause ist auch noch drin und wir lassen unsere Blicke in die Ferne und in das Tal schweifen.
Die Wildnis mit allen Sinnen genießen
Danach tauchen wir immer tiefer in die ausgedehnten Wälder des Nationalparks ein. Wir genießen die Stille, die nur von den Geräuschen der Blätter im Wind und dem Vogelgezwitscher unterbrochen wird. Immer wieder bleiben wir an Jahrhunderte alten Baumriesen stehen und sind total beeindruckt von deren Größe. Wir passieren ein Hügelgrab und umrunden mehrere, tief eingeschnittene Talschluchten in denen kleine Bäche ins Tal Richtung Edersee fließen. Auf einem schmalen Pfaden steigt der Weg nun schweißtreibend zum Mündungsbereich des Bärenbaches an. Oben angekommen führt der Weg weiter parallel zwischen Eder und Hang durch den Urwald des Arens-Berges. Hier begegnen wir auch das erste Mal anderen Wanderern, die uns entgegen kommen.
Knorrige Bäume beflügeln die Phantasie
Wenig später steigen wir einen Hang mit vielen alte Buchen und Eichen ab. Hier haben die Bäume besonders knorrige und bizarre Wuchsformen entwickelt. Untermalt wird das ganz durch ein lautes Knirschgeräusch: Ein Baum hat sich beim fallen in einen anderen verfangen und der Wind sorgt dafür, dass beide Baumstämme bei jedem Windst0ß aneinander reiben. Das die Gebrüder Grimm hier in der Gegend Anregungen für ihre Märchen bekommen haben, wundert uns nicht. Der Kellerwald ist wirklich ein idealer Ort für die Entstehung von Mythen, Sagen und Legenden und beflügelt auch unsere Phantasie.
Die idyllische Banfe-Bucht
Wenig später überqueren wir die idyllische Banfe-Bucht, durch die der namens gebende Bach nur wenig Wasser Richtung Edersee transportiert. Die Uferbereiche sind total ausgetrocknet und auch der Pegelstand des Edersees ist niedrig. Der Weg führt uns jetzt auch das erste Mal nah am Ufer des Edersees entlang. Doch eine steile Felsböschungen trennt uns noch immer vom Wasser. Zumindest können wir jetzt unseren Blick über das Wasser schweifen lassen und können hin und wieder sogar Fische ausmachen. An einem flachen Uferstück nutzen wir die Gelegenheit und legen an einer schönen Stelle direkt am Wasser eine Pause ein. Von den gegenüberliegenden Ederseesteilhänge weht der Wind das Rauschen der Blätter zu uns herüber und die Pause wird so einem echten Genuss. Hier an dieser verträumten Seebucht hat der Edersee wirklich starke Ähnlichkeit mit den Fjorden in Nordeuropa.
Sauermilchplatz
Nach der Pause steigt der Weg durch ein schmales, wildromantisches Tal steil hinauf. Der Weg führt uns weiter durch Blockwälder mit vielen Steinen und urigen Buchen. Schließlich kommen wir zum „Sauermilchplatz“. Wir spekulieren über die Namensherkunft und einigen uns darauf, dass hier die Bauern früher wahrscheinlich ihre Milch hingebracht haben und diese bei warmen Temperaturen schnell sauer wurde. Hier ist der Oberförster Kruhöffer begraben, der von 1821 bis 1893 gelebt hat und für seine lautes Organ bekannt war. Eine Tafel informiert über das Leben und Wirken des in der Region bekannten Försters.
Blättertunnel durch den Wald
Danach tauchen wir auf schmalen Pfaden weiter in die ausgedehnten, alten Buchenbestände des Nationalparks ein. Auf einige Abschnitte führt der Weg in einem Tunnel aus Blättern durch den Wald. Absolut genial! Wir passieren die Westflanke des großen Hochspeicherbeckens und streifen den Urwald am Weißen Stein. Immer wieder ergeben sich durch schneisen im Wald fantastische Aussichten über die bewaldeten Berge. Schließlich steigen wir in Serpentinen vom Großen Hegekopf ab bis hinunter zum Pumpspeicherkraftwerk Waldeck.
Durch Hemfurth hinauf zu Edersee-Staumauer
Auf der Kraftwerksstraße geht es weiter bis zum staatlich anerkannten Luftkurort Hemfurth-Edersee. Der Ort ist vor allem bekannt durch die imposante Talsperre, die hier die Eder zu einem der schönsten Stauseen Deutschlands aufstaut. Wir durchqueren den Ortskern und müssen dann noch mal auf einer lang gezogenen Straße hoch bis zur Staumauer laufen. Denn dort befindet sich direkt unsere Unterkunft. Als wir schließlich am Hotel Floren ankommen, haben wir 27 km und über 1.000 Höhenmeter in den Beinen. Auch nach dem Duschen sind wir immer noch ziemlich platt, aber die Staumauer wollen wir uns dennoch noch kurz anschauen. Kurze Zeit später stehen wir auch schon auf dem eindrucksvollen Bauwerk und genießen in der Abendsonne den Blick über den Stausee bis hinüber zum Schloss Waldeck. Wir freuen uns schon darauf, morgen weiter um den Edersee zu laufen. Vielleicht spielt dann ja auch das Wetter von Anfang an mit?
Die anderen Teile der Artikelreihe
Tag 1: Auf dem Ederhöhenpfad von Battenberg nach Frankenberg
Tag 2: Auf dem Ederhöhenpfad von Frankenberg nach Schmittlotheim
Tag 4: Auf dem Urwaldsteig von Hemfurth nach Nieder-Werbe
Pingback: Trekking auf dem Ederhöhenpfad und Urwaldsteig (1/4) | Hiking Blog
Pingback: Trekking auf dem Ederhöhenpfad und Urwaldsteig (2/4) | Hiking Blog
Auch hier habe ich ein paar Namen von Örtlichkeiten selbst schon einmal aufgesucht – einige davon kenne ich vom Geocachen ;) Seid ihr auch fündig geworden? Der auf der Talsperre ist cool gemacht, wie ich finde.
Ich freu mich auf den vierten Teil!
Liebe Grüße,
Corinna
Haben gar nicht erst gesucht. Hab leider überhaupt nicht dran gedacht :-( Nur den auf der Keseburg haben wir durch Zufall gefunden, war aber ein Multi.
Na, wird sich bestimmt nochmal ergeben. Ich bin eigentlich meist zu „unmultitasking“-fähig, um zu wandern und zu cachen ^^