Dies ist ein Gastbeitrag von Erika. Erika schreibt auf www.ulligunde.com über Bergsport, Reisen und Fotografie.
Nun habe ich gerade Steves Gastbeitrag hier im Hiking-Blog gelesen und war etwas verwundert, denn ich hätte meinen Artikel mit genau den gleichen Worten begonnen: Es kommt nicht selten vor, dass ich von anderen Wanderern verwundert angeschaut werde. Ähnlich wie bei Steve tue auch ich etwas, das offenbar nicht in das Normbild eines gewöhnlichen Wanderers passt, denn ich wandere alleine und mit großem Rucksack.
Das sorgt häufig für seltsame Blicke, oft habe ich das Gefühl, dass die Leute mich belächeln, weil sie denken, ich nähme für eine normale Tagestour einen 40 Liter Rucksack mit und hätte es nicht so mit dem ordentlichen Packen. Dem ist nicht so. Meine verrückte Leidenschaft ist es, alleine mehrere Tage oder Wochen durch die Berge zu laufen, das Gepäck ist dabei – für meine Verhältnisse – schon sehr optimiert. Ich mag es komfortabel, deshalb kommt ein Kocher und gutes Essen mit (häufig selbst gedörrt), außerdem ein kleines Zelt und ein warmer Schlafsack, um eine gemütliche Nacht zu haben. So komme ich auf etwa 15 kg, was ich persönlich noch angenehm tragen kann. Die Nacht verbringe ich am liebsten auf Gipfeln oder an aussichtsreichen Stellen, um schöne Motive für meine Fotografie zu haben. So viel zur Beschreibung was ich tue. Da eröffnet sich auch schon die erste unweigerliche Frage:
Warum?
Keine Ahnung, ich habe damit vor zwei Jahren begonnen und habe eine Leidenschaft entdeckt. Die Herausforderung, sich mit einem schweren Rucksack hohe Berge hochzukämpfen, gepaart mit dieser unglaublichen Aussicht und Atmosphäre in den Bergen liegt mir einfach. Zugegeben, ich fotografiere leidenschaftlich gerne und manchmal frage ich mich, ob ich es nun wegen der Herausforderung oder doch eher der Motive wegen mache. Aber die Ausblicke, die sich in den Bergen bieten, die unvergleichbare Ruhe der umliegenden Gipfel – besonders in der Dämmerung –, der spezielle Menschenschlag, dem man hier oben begegnet und die atemberaubenden Sonnenauf- und untergänge lohnen jede Mühe. Ein Sonnenaufgang von einem Gipfel aus zu beobachten hat etwas sehr meditatives.
Einer der schönsten, den ich bisher erlebt habe, war am Ostersonntag vor einem Jahr am Lago Maggiore: Es war vollkommen still, angenehm kühl, es ging kaum Wind. Über dem Lago Maggiore hing eine dünne Nebelschicht und kapselte die hektische Stadt Bellinzona von meinem Blick ab. Ich stand am Gipfel mit diesem kleinen selbstgebauten Gipfelkreuz aus krummen Birkenästen und wartete die letzten Minuten ab, bis sich die Sonne über den Alpenhauptkamm schob. Es wurde immer heller, die umliegenden Gipfel wurden nach und nach in ein sanftes Rot getaucht und plötzlich – genau in dem Moment, als die ersten wärmenden Strahlen mein Gesicht trafen – fingen im Tal die Kirchenglocken an zu läuten. Das ist der Grund, weshalb ich gerne mit Zelt in den Bergen wandere: Diese unbeschreibliche Ruhe, fernab der Zivilisation, mitten in der atemberaubenden Natur. Bleibt die zweite unweigerliche Frage:
Warum allein?
Diese Frage ist schon viel schwieriger, denn ich weiß die Antwort nicht genau. Es ist nicht so, dass ich gezielt alleine wandern möchte, ich habe nur nicht so viele Freunde, die darauf stehen, schwere Rucksäcke über mehrere Tage zu schleppen. Andererseits empfindet man Dinge alleine häufig viel intensiver. Man fällt seine eigenen Entscheidungen, hat niemanden zum Abwägen und muss Gefahrenstellen solo meistern. Sich allein einer Herausforderung zu stellen, kostet viel mehr Überwindung, beschert einem im Nachhinein aber auch ein intensiveres Erlebnis.
Auch den Sonnenauf- und untergang alleine zu erleben, ist auf seine bestimmte Weise spannend. Man steht auf einem Gipfel mit der ziemlichen Gewissheit, dass hier oben niemand sonst ist. Über einem ist der Himmel, um einen herum das atemberaubende Panorama und ganz weit unten im Tal die Hektik des täglichen Lebens, von der man Lichtjahre entfernt scheint. Es ist wie ein sehr intensiver Kurzurlaub, in dem man schon bei den ersten Schritten die Termine und To-Do-Listen der Arbeitswelt vergisst und sich nur noch auf den Weg konzentriert. Die Uhr spielt eine untergeordnete Rolle, man ist einfach da, wenn man da ist. Kommt man von so einer Tour zurück, ist man völlig entspannt und hat neue Energie für eben jene alltäglichen Aufgaben.
Das würde ich mich nie trauen…
Auf die zwei unweigerlichen Fragen: „Warum?“ und „Warum allein?“ folgt – meistens von Frauen – dann der ehrliche Ausruf: „Das würde ich mich nie trauen!“. Gegenfrage: Warum nicht? In den Alpen lauern keine gefährlichen Tiere und auch zivilisationsbasierte Gefahren werden mit jedem Höhenmeter geringer. Sucht man sich einen ungefährlichen Bergpfad ohne Kletterei aus, wird auch die Gefahr des Unfalls minimiert. Wer Angst vor Blitzschlägen hat, muss ja nicht direkt am Gipfel übernachten, auch auf Sätteln ist es sehr schön. Abends ist meistens noch genug Kraft da, die letzten Höhenmeter zum höchsten Punkt zu joggen.
Probiert es doch einfach mal aus. Anfangs mag der Rucksack vielleicht noch nicht perfekt gepackt sein (meine erste Mehrtagestour (4 Tage!) startete ich (60 kg) mit einem 23 kg Rucksack, gefüllt mit einem Glas Nutella, 500 g Salami, 500 g Käse, zahlreichen Tafeln Schokolade und einem großen Laib Brot ;) ), aber das lernt man alles. Aber hey! Wenn ihr es dann mal ausprobiert habt, schreibt mir eure Erfahrungen von eurer Tour! Eure Gedanken, eure Eindrücke, vielleicht sogar eure Ängste, das würde mich wirklich interessieren.
In diesem Sinne wünsche ich euch einen unvergesslichen Sommer mit atemberaubenden Eindrücken und tollen Erlebnissen. Passt auf euch auf!
Liebe Grüße,
Ulligunde ;-)
@Ulligunde: Super Beitrag. Schön zu hören, dass ich nicht die einzige Frau bin die alleine unterwegs ist.
Das mit den komischen Blicken kenne ich übrigens. Ich weiß gar nicht wie oft ich schon (meist von männlichen Wanderern) angesprochen wurde, wo ich denn meinen Hund gelassen hätte. Anscheinend darf Frau sich nicht ohne „schützenden Begleiter“ raus in die „böse Natur“ wagen. ;-)
@ulligunde: sehr schön dargestellt! Und als Frau allein unterwegs zu sein, sage ich nur Respekt, und weiter so! :)
Toller Artikel…ich wollte dir die Einleitung nicht klauen, sorry ;-).
Die Sache mit dem alleine unterwegs sein kenne ich auch sehr gut und ich kenne auch die fragenden Gesichter abends auf den Berghütten, wenn ich mich irgendwo dazu setze.
Ich werde auch oft gefragt, ob es denn nicht gefährlich sei, schließlich ist niemand da wenn etwas passiert; aber man findet eben nicht immer jemanden der kurzfristig Zeit hat und dann auch noch etwas flotter unterwegs sein möchte.
Letztlich ist es immer das Erlebnis was zählt und bei einer Tour im Vordergrund steht. Da bin ich bis jetzt noch nie enttäuscht worden.
Liebe Erika, noch mal vielen lieben Dank für deinen tollen Gastartikel!
Du sprichst mir mit deinem Beitrag aus der Seele! Ich bin auch oft ganz bewusst alleine unterwegs. Ich liebe es, auch mal ganz für mich zu sein und mit meinen Gedanken. Das Tempo selbst zu bestimmen. Den Weg nicht zu verlieren. Stehen bleiben, wann ich möchte. Pausen einlegen, wenn ich sie brauche. Die Natur ungestört und ohne Ablenkung genießen zu können. Entscheidungen alleine zu treffen und dafür die Konsequenzen zu tragen. Auf mich selbst gestellt zu sein, egal was passiert. Es alleine schaffen zu müssen. Das ist für mich Erholung pur und der beste Ausgleich zum Alltag. Das einzige was ich dabei manchmal vermisse ist, dass ich unterwegs die schönen Momente nicht mit jemanden anderen teilen kann.
Das du dich alleine als Frau auf machst und auch noch draußen übernachtest, dafür bewundere ich dich. Da gehört schon eine Menge Mut dazu.
Danke für das viele Lob! Freut mich, dass ich offensichtlich doch nicht so allein dastehe mit dieser Leidenschaft. Leute wie euch sollte man beim Wandern häufiger treffen ;)
Grüße! Und Danke nochmal!
Erika
Pingback: Von Oberstdorf nach Tannheim (Via Alpina, Jubiläumsweg, Adlerweg, Saalfelder Höhenweg) « ulligunde
Manche nenne es Flucht, ich nenne es Glück – und Ulligunde trifft diese Leidenschaft perfekt – und zwar in Wort und Bild. Wo andere beschreiben, schreibt sie und wo andere knipsen, fotografiert sie. Ulligunde eben – und das ist gut so! Keep on hiking …
Danke!!!
Ich bin bisher nie alleine gegangen, will dieses Jahr eben auch von Oberstdorf nach Meran gehen und der Bericht bestärkt mich in meiner Entscheidung. Genau diese Eindrücke und Erfahrungen des Alleinseins möchte ich erleben. Ich werde berichten.
@ulligunde: Vielen Dank für Deinen Beitrag! Ich bin auch viel und gern allein unterwegs, allerdings meist in Stadtnähe. Ich habe jetzt im September meine erste Wandertour in Norwegen geplant, nur mit Zelt, Rucksack und mir allein. Ich kann es kaum erwarten, allerdings kommen in letzter Zeit Zweifel auf, gerade auch durch Familie und Freunde -„Was ist denn, wenn dir was passiert?“ etc.
Du hast mir mit deinem Artikel wieder Mut gemacht – ich kann es kaum erwarten die norwegische Natur zu erkunden *_*
ich berichte, wie es war:)
LG & weiter so !
Brina
ulligunde, danke dir, ich starte morgen…allein!
nefeli
Toller Beitrag, hoffentlich lassen sich viele davon inspierieren. Es muss ja nicht so lange sein, aber die Erfahrung sollte jeder mal gemacht haben :)
Ich lasse mich von Freunden und Verwandten nicht abbringen Trekkingtouren zu erleben, viele kritisieren die Touren alleine draußen in der Natur. Ich bin auch schon etwas erfahrener und kann es nur weiterempfehlen. Leute die meinen von Wildschweinen angegriffen zu werden oder von Besoffenen Leuten nachts im Wald überfallen zu werden haben eh keine Ahnung vom Leben!
Steffen
Hallo, ich würde auch gerne mal alleine (mit meinem Hund) losziehen. Ich wohne in der Nähe von Köln und möchte im Juni für 1-3 Wochen los. Muss nicht in der Nähe sein, ist ja mein Urlaub. Hat jemand einen Tipp für eine ‚Einsteigertour‘ ? Würde mich freuen.
Susanne
Hallo Susanne,
da würde ich dir einen Premiumwanderweg im Mittelgebirge empfehlen. Die sind sehr gut ausgeschildert, haben eine gute Infrastruktur und bieten ein schönes Naturerlebnis. Eine Übersicht findest du unter:
http://www.wanderinstitut.de/premiumwege/
In NRW kann ich dir den Eifelsteig, Rheinsteig oder Rothaarsteig empfehlen.
schaue ich mir in Ruhe mal an. Besten Dank :)
Pingback: Kleines Dankeschön an meine Gastautoren 2012 - Hiking Blog
Hallo @ulligunde, hallo @Jens!
Vielen Dank für Deinen Beitrag, warum Du alleine wandern gehst, Erika.
Und Dir, Jens, vielen Dank über Deinen Blog vom Wildnistrail.
Genau diesen möchte ich gerne nächsten Sonntag starten. Am liebsten natürlich bei gutem Wetter und mit Blick auf die Sternschnuppen.
Ich habe noch nie solche Touren gemacht. Die anspruchsvollsten Touren waren die Oeftebachtal-Tour und die Tour vom Hengsteysee zur Hohensyburg, meine längste lag bei 16km, aber mehr Strecke als Höhe.
Da stellen sich bei mir natürlich gleich ganz andere Fragen, wie, was ziehe ich an, was nehme ich mit und wie löse ich das Problem, wenn die Blase drückt….
Ich überlege noch, ob ich mir die Zimmer so buche, wie Du es gemacht hast oder ob ich das Komplettpaket nehmen soll, um nicht so viel Gepäck mittragen zu müssen.
Vielleicht gibt es ja noch spontan ein paar Tipps, die ich umsetzen könnte.
Liebe Grüße
Sandra
Liebe Sandra,
vielen Dank für Deinen Kommentar! Ich hoffe, meine Antwort kommt nicht zu spät…
Wenn Du noch nie solche Strecken mit Gepäck für mehrere Tage gewandert bist, dann sind die relativ langen Etappen des Wildnistrails schon eine Herausforderung. Daher würde ich Dir eigentlich raten, mit einer Mehrtageswanderung zu starten, der kürzere Etappen hat. Ansonsten dann mit Gepäcktransport.
Mein Tipp: Nimm wirklich nur das mit, was du auch wirklich benötigst. Am besten Kleidung, die sich gut kombinieren lässt (Zwiebellook) und achte bei den anderen Dingen auf das Gewicht.
Anregungen zu dem Thema Gewicht sparen, findest Du hier:
https://www.einfachbewusst.de/2018/06/weniger-gewicht-rucksack/
https://www.bergreif.de/2015/03/13/6-tipps-leichter-wanderrucksack-packen
Ich wünsche Dir ganz viel Wanderfreude und tolle Eindrücke!
Jens