Dies ist ein Gastbeitrag von Ben. Ben hat ebenfalls ein Blog, dass erstaunlicherweise gar nichts mit dem Thema Outdoor zu tun hat.
Mein Ziel ist es, jeden Tag laufen zu gehen, und ich glaube, ich bin schon auf einem ganz guten Weg dahin. Getreu dem Motto Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Ausrüstung
bin ich bei der ewig begleitenden Suche nach dem idealen Schuh dafür erneut auf Barfußschuhe gestoßen.
In aller Konsequenz: vom klassischen Laufschuh zum Barfußschuh.
Hier im Hiking Blog hatte Jens vor ein paar Wochen passenderweise einen schönen Testbericht zu Barfußschuhen verfasst, und nach Rücksprache mit ihm gab mir das den Ausschlag, ebenfalls welche zu testen.
Auch wenn ich bei weitem kein so fleißiger Trail–Runner wie Jens bin (und leider auch nicht so oft in der Natur), würde ich mir selbst durchaus eine etwas ausgeprägtere Konsequenz unterstellen, die hier meiner Testberichtreihe dann auch zu Grunde liegt: Der vollständige Wechsel von gewöhnlichen Laufschuhen zu Barfußschuhen für diesen Test.
Während Jens also schon auf hohem Niveau anfängt, und die durchaus wichtigen technischen Eigenschaften für den Gebrauch abseits der Unkraut–befreiten Splittwege unserer Stadtpärke beleuchtet, fange ich an anderer Stelle an: Ich konzentriere mich zuerst auf das Laufen an sich, mit dem ich mich noch im Augenblick mehr beschäftige, und erst langsam vom normalen Terrain abweiche.
Vielen Dank Jens, dass du mich hier über meine Erfahrungen berichten lässt. Ich möchte mich ebenfalls ganz herzlich bei Voycontigo für die Unterstützung bedanken, die mir den Merrell True Glove
in Molton Lava für diesen Test zur Verfügung gestellt haben, was meine Erfahrungen überhaupt erst möglich gemacht hat: Danke Jenny für die schnelle Realisation!
Ein wenig Hintergrund
Um die Hintergründe für meinen Test verständlicher zu machen, hole ich ein wenig aus, und erzähle, wie ich zum Laufen gekommen bin. (Wenn dich das nicht interessiert, kannst du diesen Teil überspringen, und direkt über die Erfahrungen mit den Barfußschuhen weiter lesen.)
Vor vier Monaten hat das Fitnessstudio, dass ich hier bei mir um die Ecke besuchte, Insolvenz angemeldet. Nicht nur, dass so etwas immer tragisch für die Belegschaft ist — aus persönlichter Motivation heraus hat es mich auch getroffen, da ich Fitnesstudios nicht viel abgewinnen kann, und mich trotzdem dafür entschieden hatte, regelmäßig in eines zu gehen: Jeden Tag verbringe ich viele, viele Stunden vor meinem Recher, und bis dahin bewegte ich mich kaum; den körperlichen Konsequenzen musste ich langsam gegen halten.
14 Tage lang suchte ich noch nach Alternativen für ein Fitnessstudio, und besann mich schließlich eines besseren, und fing wieder mit dem Laufen an. Das war ich früher schließlich auch. Und dann ging alles Schlag auf Schlag.
Die ersten beiden Wochen bin ich drei, vier mal die Woche drei Kilometer laufen gewesen, um wieder einen Einstieg zu finden. Zumindest ging ich davon aus, dass es mit meiner Kondition nicht weit her sei, und dass ich keuchend ins Wasser fallen würde, oder die anwesenden Enten schon hunderte Meter vorweg mit meinem nach Luft ringen aufschrecken würde.
Ich mag das Laufen, und das Laufen liebt mich.
Stattdessen erhöhte ich problemlos meine Lauffrequenz auf fünf mal Laufen die Woche. (Die Enten schreckte ich zwar nicht mehr auf, aber gab ihnen noch genug Zeit, schon mal langsam die Wege zu überqueren.) Dann verdoppelte ich die Strecke auf sechs Kilometer.
Und vor fünf Wochen dann auf zwölf. Es blieb dabei auch nicht bei fünf mal Laufen die Woche: Hin und wieder war ich Abends ein zweites mal laufen, weil es mich irre machte auf meinem Stuhl zu sitzen, und es mich förmlich nach draußen zog, und mich beim Laufen nach vorne zu ziehen schien.
Inzwischen hatte sich das Laufen, wenn nicht wirklich etwas gravierendes dazwischen kam, auf sechs mal die Woche (nicht unbedingt an sechs Tagen) eingependelt. In den beiden letzten Wochen bin ich dann schließlich vier mal einen Halbmarathon statt der üblichen Runde gelaufen. (Die Enten sind hingegen noch immer schnell genug, um vor mir langsam die Wege zu überqueren.)
Dabei laufe ich außschließlich für mich: Ich höre nicht mal Musik dabei, wirklich besondere Bekleidung habe ich auch nicht. Und auch wenn ich in den dreieinhalb Monaten 14 Kilo Gewicht verloren habe, bin ich fernab davon, eine athletische Läuferfigur zu haben. Im Gegensatz zu Jens, der funktionale Kleidung zu recht trägt, würde ich wahrscheinlich wie ein Tourist wirken, der sich sein Gepäck von Sherpas auf dem Mount Everest tragen lässt.
Statistiken am Rande zu Verletzungen und Zeiten
Bisher habe ich mir nur zwei Verletzungen “erlaufen”, die mich beinträchtigten: eine recht große Blase am rechten Zeh, sowie eine Schürfwunde oberhalb des rechten Zehs.
Muskelkater hatte ich nur bei den drei–Kilometer–Läufen, danach erstaunlichweise nicht mehr — nur die regulären Ermüdungserscheinungen nach dem Laufen. Gelegentliche Knieschmerzen, die sich besonders beim Treppenabstieg bemerkbar machten, schon. Allerdings nichts, was nicht vertretbar und erträglich gewesen wäre. (Und mit Knieproblemen kenne ich mich leidvollerweise aus; das sprengt hier aber den Rahmen.)
Und auch, wenn ich für mich selbst Laufe, und mir das wichtigste ist, ohne Pause anzukommen, noch ein paar Zahlen: Für die 12 Kilometer benötige ich im Schnitt eine knappe dreiviertel Stunde, für die Halbmarathon-Distanz sind es um die 80 Minuten.
Ersteindruck vom Schuh
Als sich abzeichnete, dass ich einen Barfußschuh testen würde, hatte schon mal einen Schuh in einem Sportgeschäft angezogen, was allerdings nach mehrstündiger Tour durch die Altstadt nicht ganz so angenehm ausfiel. Das spricht auf jeden Fall für eine Online–Bestellung: Ganz in Ruhe zu Hause anprobieren.
Was allerdings auffiel war, dass die Barfußschuhe von Merrell, von denen ich auch einen testen würde, schon aus einiger Distanz positiv in der Optik auffielen. Hätte ich nicht um die Funktionalität gewusst, würde ich sie schon fast nur des Aussehens wegen anstelle von Sneakern tragen. Fast eine Verschwendung, dass sie nicht ebenfalls in so einem Sortiment zu finden sind. Gute Farbwahl und –kombination, qualitativ hochwertig wirkende Stoffe, saubere Nähte, clever integrierte Logos.
Vor ein paar Tagen klingelte dann also der Paketbote, und ich konnte mir die Schuhe dieses Mal ganz in Ruhe ansehen und ertasten. Meine mir vorliegenden Barfußsschuhe sind dabei die True Glove, die ich ebenfalls recht schick finde; auch in der Schwarz–Rot–Kombination.
Ein schicker Schuh, der wertig daher kommt.
Von Gewicht und Haptik her fielen mir als erstes Boulder–Schuhe ein, mit denen die von Merrell allerdings nichts am Hut haben.
Das Gewicht ist schließlich erstaunlich gering: So gering, dass ich, als ich den Karton in der Hand hielt kurz dachte, dass da gar keine Schuhe drin sein würden. Das Gewicht, oder eben das kaum vorhandene, würde sich später auch äußerst angenehm auf den Tragekomfort auswirken.
Zu den genauen Material-Beschaffenheiten kann ich mich nicht wirlich äußern — was genau zum Beispiel Vibram ist, musste ich im Netz recherchieren. Mir verständlich positiv fielen Details wie die offensichtliche Belüftung durch Membrane an entsprechenden Stellen auf, schließlich würde ich den Schuh ohne Socken tragen wollen. Die Schnalle am Fersenbereich würde sich auch noch als sehr hilfreich erweisen.
Auch konnte ich keine unangenehmen Stellen sichten, die beim Anschmiegen an den Fuß vielleicht Druckstellen oder gar Aufschürfungen verursachen würden. Schönes weiches Material über all da, wo es darauf ankommt.
Allerdings schien die Innenseite der Membrane in den Schuhen selbst nicht ganz sauber verklebt zu sein, zumindest hings sie ein wenig. Beim An– oder Ausziehen war das allerdings kein Problem, auch nicht beim Tragen. Das mag also durchaus bewusst so sein.
Bei der Recherche zum True Glove, damit ich besonders informiert bin, fiel mir auf, dass dieser zur Kategorie Train
bei Merrel gehört. Was genau allerdings nun wirklich der Unterschied zwichen den Kategorien Train und Run ist, das mochte sich mir nicht vollständig erschließen. Die indirekte Beschreibung ließ mich vermuten, dass die Train-Sohle verzeihlicher beim Untergrund ist.
Es bleibt aber noch immer offen, ob ich wirklich den richtigen Schuh für mich habe: Ich zähle mich wohl eher zu Run, aber bei Train wird neben Trail–Running eben auch der Langstreckenläufer erwähnt. Bin ich das mit meiner Kilometerleistung? Oder ist der Untergrund hier im Volksgarten vielleicht schon trail-ig genug?
Insgesamt hat der Schuh schon direkt bei der ersten Betrachtung einen sehr guten Gesamteindruck hinterlassen, und sehr zum Laufen eingeladen.
Das Laufen
Der Laufgrund für die ersten Tests: der Düsseldorfer Volksgarten
Der Boden im Düsseldorfer Volksgarten (der übrigens echt schön und sauber gepflegt ist, und zwei Wasserspielplätze und einen Streichelzoo hat) ist recht gemischt: Es gibt viele Wege gefüllt mit Splitt oder grobem Sand, ein paar Waldweg–ähnliche Untergründe, und Abschnitte mit Pflaster– oder gar Backsteinen. Genug Rasenflächen ermöglichen das Ausweichen auf diese.
Einige Wegabschnitte sind durch die hohe Baumdichte sehr schattenreich, andere Teilabschnitte wie um den See am Streichelzoo laden auch im Frühjahr schon zu Sonnencréme auf meinem spärlich bedecktem Kopf ein.
Besonders Enten und Gänse kreuzen gerne überall den Weg, und zwar am liebsten genau erst dann, wenn sie sehen, dass man sich nähert. Abrupte Stopps, weil man einfach nicht ausweichen kann, sind also überall jederzeit möglich.
Ich habe auch schon vor, im unbefestigten Terrain zu laufen — das wird sicher in späteren Testberichten kommen.
Das erste Laufen
Nachdem ich mir die Schuhe also genauer angesehen hatte, wollte ich sie natürlich unbedingt gleich testen. Nur um sicher zu gehen, wusch ich mir vorsichtshalber nochmal meine Füße und trimmte meine Nägel.
Die nächsten Minuten verbrachte ich dann allerdings erstmal damit, mir eine gute Technik einfallen zu lassen um in den Schuh zu gelangen. Irgendwie schaffte ich es mich besonders ungeschickt anzustellen, und fand häufig meine Finger zwischen dem Schuh und meinen Füßen wieder. Die erwähnte Schnalle half dann letztlich.
Nachdem ich erstmal im Schuh war, musste ich meine Füße nachjustieren. Durch leichtes Zusammendrücken der Sohle konnte ich meine Füße noch ein paar Millimeter im Schuh bewegen um die ideale Position zu finden.
Dann: Einfach mal gerade hin stellen. Angenehm. An den Fersen merkte ich nichts. Über den Spann zogen leicht die Schnürsenkel. Im Fußraum war Platz, und nichts berührte meine Zehenspitzen. Unter dem Ballen spürte ich ein wenig die Sohle nach oben drücken.
Ich hüpfte ein paar mal auf den Zehenspitzen auf und ab. Der Schuh saß Wie eine zweite Haut, aber eine mit Komfortfunktion: Verstärkte Sohlen, atmungsaktiv. Das merkte ich, weil meine noch vom Waschen leicht feuchten Füße nicht schwitzig wurden.
Dann ging ich die Treppen herunter, und merkte beim Auftritt, dass ich das besser nicht wie gewohnt über die Ferse machen sollte.
Auf der Straße angekommen versuchte ich den rauheren Boden zu spüren, aber das gelang mir nicht. Ich lief los, mit viel zu großen Schritten. Bevor ich selbst darüber nachgedacht hatte, machte ich schnell kleinere. Ist schon cool, so ohne Socken
, dachte ich mir, aber dabei nicht an den Schuh.
Ich lief Richtung Volksgarten, und war mir einfach nicht sicher, wie ich mein Tempo halten sollte, wie ich auftreten könnte, und ließ mich einfach durch meinen Körper führen.
Im Volksgarten selbst entschied ich mich für die drei Kilometer lange Runde, die ich zu Beginn vor einigen Wochen gelaufen war.
So wirklich barfuß ist das nicht.
Durch die ständige Tempo– und Schrittvariationen war das Laufen deutlich anstrengender. Zwar fand ich noch nicht meinen Rhytmus, dafür bekam ich ein besseres Gefühl für den Boden. Der Schuh war sehr verzeihlich. Unterschiede in den Höhen bei den Pflastersteinen registrierte ich sofort, kleine Steine oder rauhen Unterboden nahm ich nicht wahr. Das sollte sich auch nicht weiter beim Laufen ändern.
Was sich aber schnell bemerkbar machte war die Härte des Bodens. Stein in jeder Art ist unverzeihlich, es lief sich auch härter, nichts federte hier, oder unterstützte mich von den Schuhen.
So wirklich wie barfuß ist das nicht
, dachte ich mir. Aber nicht mal schlimm. Es ist ein prinzipiell anderes Laufen, das merkte ich sofort.
Die Runde war schon nach 13 Minuten vorbei, ich bin wohl gerannt wie ein Berserker, obwohl es mir überhaupt nicht so vorkam.
Die letzten Meter, wenn ich den Volksgarten verlassen habe, gehe ich immer, so auch hier. Trotz der Anstrengung merkte ich nichts in Füßen oder Beinen. Interessant. Diese Art von Laufen scheint mich auch zu lieben.
Das zweite Laufen
Am nächsten Tag hatte ich keinerlei Schmerzen, kein Muskel war an– oder verspannt. Meine Knie spürte ich auch anders. Während beim normalen Laufen das Gewicht sich schon in einem spitzen Gefühl mitten im Knie bemerkbar machen kann, war nur ein Nachwehen eines runderen, weicheren Gefühls um das Knie da.
Das Anziehen kann zur Zeremonie werden.
Ich machte mich bereit für eine weitere Runde. Das anziehen dauerte dieses mal aber eine kleine Ewigkeit: Ich spürte jede Schnürstärke anders, und war lange damit beschäftigt, über den Fußrücken hinweg die Schnürstärken anzupassen.
Auch beim Auftreten merkte ich die kleinsten Unterschiede, wenn ich nicht richtig im Schuh stand. Besonders krass fiel mir aber auf, wie unterschiedlich doch meine beiden Füße sind.
Mit verschiedenen Schnürstärken, mehrmaligen an– und wieder ausziehen war ich eine gute halbe Stunde beschäftigt, bis die Schuhe endlich so saßen, dass ich ein gutes Gefühl hatte. Links saß der Schuh perfekt, und zwar nicht nur so daher gesagt: Ich kann mich nicht daran erinnern, dass jemals ein Schuh so gut gesessen hat. Rechts dagegen nicht so. Aber bei dem Vergleich?
Das Laufen selbst war schnell angenehmer, nicht mehr so ungleichmäßig vom Tempo wie am Tag zuvor. Meine Schrittfrequenz war deutlich höher als jemals zuvor.
In meinem Kopf sah ich mich selbst durch den Volksgarten in Ballerinas trippeln. Mir fiel der Japaner ein, den ich öfter von hinten antrippeln hörte, nur damit er mich in einem unglaublichen Tempo überholt hatte.
Sechs Kilometer laufen zum Einlaufen.
Es dauerte dann auch nicht lange, bis ich selbst hinten an jemanden heran trippelte. Mit teilweise verwunderten Blicken registrierte man mein Näherkommen, und mit einer Leichtigkeit zog ich vorbei. Das war ich zwar vorher auch häufig, aber eben nicht trippelnd.
Merrel empfiehlt 180 Schritte die Minute auf der Website — das hielt ich bis zu diesem Augenblick für Wahnsinn. Aber es ging, und auch wenn es nicht unanstrengend war, war es nur anders anstrengend, aber gar nicht so viel mehr.
Nach sechs Kilometern dann hatte ich bereits die richtige Frequenz für mich gefunden. Beim Auftreten merkte ich, dass ich noch ein paar Unsicherheiten hatte, und korrigierte mal bewusst, mal unbewusst nach.
Mir fielen Details beim Auftritt und Abrollen auf, die ich vorher nicht so wahr genommen hatte: Auftritt– und Verweildauer des Fußes auf dem Boden, wie sehr der Winkel vom Fuß zum Schienbein variieren kann, sowie ein paar Dinge mehr.
Und wie schnell mein Körper mir signalisierte, dass ich besser etwas ändern sollte, indem sich Muskel– und Sehnenbereiche rund um den Fuß und im unteren Schienbein sowie an der Achillesferse verschieden intensiv meldeten. Auch Bereiche, die das vorher nie taten.
Ich liebe den Schuh, andersherum bin ich mir nicht so sicher.
Nach nur für mich unglaublichen 42 Minuten war die 12 Kilometer lange Runde dann vorbei. Wie am Tag zuvor war es eher die Atmung, die mich die Anstrengung spüren ließ. Rein vom Körpergefühl her hätte ich noch ohne Probleme weiter laufen können — und ich ärgerte mich fast, dass ich das nicht tat.
Zuhause angekommen zog ich mir die Schuhe aus, und stellte fest, dass der Rücken von meinem großen Zeh, wo er an den eigentlichen Fuß angrenzt, groß wie eine fünf–Cent–Münze aufgeschürft war. Die oberste Hautschicht war komplett abgetragen. Auch mein mittlerer Zeh war ein wenig aufgeschürft, direkt auf dem Zehrücken. In deutlich abgeschwächter Form konnte ich das auch an meinem linken Fuß feststellen.
Ich wusch meine Füße, desinfizierte die Abschürfungen, und sprühte mir ein Pflaster auf. Innerlich war ich ein wenig gefrustet, da ich bereits absehen konnte, dass ich am nächsten Tag nicht laufen gehen können würde. Immerhin war die Verletzung nicht unangenehm.
Am Tag danach hatte ich ebenfalls wieder — bis auf die Schürfwunde — keinerlei Beschwerden. Kein Muskelkater, keine überanstrengten Bänder oder Sehnen. Lediglich meine Oberschenkelmuskulatur ließ mich spüren, dass ich wohl ungefähr die doppelte Menge an Schritten gemacht habe. Allerdings auch nicht auf ungenehme Art.
Die Abschürfung hatte sich auch nicht entzündet, sah aber nicht wirklich besser aus. Um unnötige Verletzungen zu vermeiden setzte ich den Tag lieber aus.
Aber ich stellte fest: Diese Art zu Laufen liebt mich wirklich sehr. Und langsam mag ich nicht nur Laufen. Das wird eine gegenseitige Geschichte, da bin ich mir sicher.
Das dritte Laufen
Dieses Mal verbrachte ich nur ich eine Viertelstunde mit dem Schnüren der Schuhe. Allerdings saß der Schuh nicht so gut wie noch zwei Tage zuvor. Es war nicht schlecht, aber es war schon ein Stück weit weg von perfekt. Rechts saß der Schuh wieder ein wenig schlechter als links.
Auch dachte ich ein wenig über die Abschürfung nach. Vorsichtshalber hatte ich mir ein kleines Pflaster auf die Abschürfung geklebt. Um den Zehen mehr Raum zu geben lockerte ich die Schnürung im untersten Bereich. So wirklich zufrieden war ich nicht.
Ich schaute aus dem Fenster: Heute sollte ich im Regen laufen! Draußen strömte es nach Tagen voller Sonnenschein. Endlich.
Auf dem naßen Gehweg vor der Haustüre fiel mir dann sofort auf, dass sich der Schuh anders lief. Einfach anders. Ein paar Meter später merkte ich warum: Ich hatte kaum noch Grip. Egal wie ich lief, beim Abdrücken hatte ich auf dem nassen Boden häufig genug das Problem ein wenig abzurutschen.
Durch etwas kleinere Schritte konnte ich das kompensieren, aber bei dem Tempo, dem ich einfach folgte, half das nicht so. Umso mehr machte sich dadurch der harte Boden bemerkbar.
Als ich aber die Pflastersteine verlassen hatte, lief sich der leicht matschige Boden perfekt. Ordentlich Grip, angenehme Art der Dämpfung. Meine Abschürfung bemerkte ich zwar immer leicht, aber fern ab von unangenehm — da war ich schon mit nervigeren Blasen laufen.
Abgelenkt von ein paar Enten musste ich nach ein paar Kilometern durch eine Pfütze laufen. Verdammte Enten! Warum hattet ihr mich nicht früher dazu gebracht? Was für ein unglaubliches Gefühl. Zwar war mein Fuß nass, durch das verarbeitete High–Tech–Material wurde mein Fuß aber nicht kalt, und beim ersten Auftritt nach der Pfütze war jedes stehende Wasser im Schuh sofort heraus gedrückt.
Danach lief es sich, als wäre ich nicht durch eine Pfütze gelaufen. Und weil das so viel Spaß machte, habe ich das mehrmals zu meinem größten Vergnügen wiederholt. Manchmal ist weniger eben wirklich mehr: weniger Schuh für mehr Naturgefühl.
Abbruch nach 16 Kilometern.
Bei den Teilstrecken, die gepflastert waren, wich ich allerdings immer auf die begleitenden Rasenstücke aus. Das war nicht so angenehm. An einer Stelle bin ich dann auch mit der Ferse direkt aufgetreten, was mein Knie sofort quittierte. Es war kein laufunterbindender Schmerz, aber ein unterschwelliger, den ich auch einen Tag nach dem Laufen noch ein wenig merken sollte.
Kurz vor Ende der Runde wollte ich es dann auch wissen und auf die Halbmarathondistanz verlängern. Allerdings brach ich dann nach 16 Kilometern und 58 Minuten ab. Bis dahin war die Abschürfung kein Problem. In einem Augenblick merkte ich allerdings in einem Zeitlupen–ähnlichen Gefühl, wie der Schuh langsam die Haut um meine Abschürfung abtrug.
Das wollte ich nicht weiter riskieren, und ging auf direktem Wege nach Hause. Dort angekommen stellte ich fest, dass sich die Abschürfung ein wenig vergrößert, dabei allerdings nicht verschlimmert hatte. An dem mittleren Zeh war alles wie vorher. Von der Kondition und der Atmung her fühlte ich mich allerdings schon so, als sei ich nie mit einem anderen Schuh unterwegs gewesen.
Wie immer ging ich duschen; dann desinfizierte ich die Stelle, und hübschte sie mit einem Sprühpflaster auf. Zur Nachbereitung recherchierte ich dann: War mein Schuh zu groß? Eigentlich nicht: Dass der Fußraum Luft hat, ist beabsichtigt. Bei meinem Schuh in Kombination mit meinen Füßen scheint die Stelle, bei der der Schuh an den Zehen umknickt, einfach nur etwas ungünstig weiter hinten zu sein.
Vielleicht sind meine Füße da einfach nichts mehr gewöhnt: weiße und dünne Haut, die in den letzten vier Monaten nicht so hinterher kam wie es alles andere bei mir tat.
Wie das wohl gewesen wäre und sich entwickelt hätte, wenn ich direkt mit diesen Schuhen laufen gewesen wäre?
Zusammenfassung
Diese Sache mit der Abschürfung. Heute bin ich deswegen (und wegen des Knies) schon wieder nicht laufen gewesen, und das ärgert mich schon. Auch bei der Verarbeitung und der tatsächlichen Qualität des Schuhs bin ich mir noch nicht so ganz sicher. Das mag aber dem Umstand geschuldet sein, dass ich erst so langsam anfange, mich mit Kunstfasern und ähnlichem anzufreunden.
Alles andere ist perfekt: Super Lauftempo, angenehmeres Laufen mit schon nach einem intensiveren Laufen bemerkbaren Effekten (mein Hintern dankt), und es macht einfach so viel Laune auf mehr. In meinem Kopf laufe ich bereits durch Berg, Wald und Wiesen, wie ich es einige Wochen zuvor an der Mosel gesehen hatte.
So viele tolle Punkte! Ich habe mich dazu entschieden, den Test auf jeden Fall weiter durchzuziehen. Für meine Abschürfung muss ich mir noch etwas einfallen lassen, bis ich Hornhaut an den entsprechenden Stellen habe — das ist es mir echt wert. Nur langsam muss ich dann zügeln, nicht das Schicksal von Pheidippides zu erleiden, gerade wegen meiner Kniee.
Für mich gibt es daher schon nach nur drei Läufen eine unbedingte Test–Empfehlung, allerdings eben mit dem Hinweis, dass mich das Laufen liebt, der Schuh sich offensichtlich noch nicht so ganz sicher ist. Wer es mit dem Laufen oder gar dem täglichen Laufen ernst meint, sollte es sich nur schon seinen Gelenken zu Liebe probieren, und die Tipps, die Merrell gibt, beherzigen.
Das war’s für’s Erste — und nun?
In einer Woche werde ich berichten, wie und ob sich meine Lauferfahrungen geändert haben, und ob ich bei der Empfehlung bleiben werde. Dasselbe habe ich auch noch mal für einen etwas längeren Zeitraum vor (einen Monat). Bis dahin bin ich hoffentlich auch meinen ersten Trail gelaufen.
Zum Schluss ebenfalls noch mal vielen Dank an Jens und Voycontigo, die mir in meiner bisher kurzen Laufkarriere eine unglaubliche Erfahrung ermöglicht haben, und mich frei von Klischees ein paar Sachen anders sehen lassen.
Danke Ben, für deinen Gastbeitrag und den ausführlichen Testbericht! Vor allem, deine andere Perspektive und der Fokus auf das Laufen haben mir sehr gut gefallen.
Hey Jens, vielen Dank, das freut mich! Und vielen Dank nochmals dafür, dass du mir die Möglichkeit gegeben hast, das zu testen. Das war (und ist) eine echte Bereicherung!
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