Laut Wikipedia ist ein Wanderverein, ein Verein, der seinen Mitgliedern regelmäßig geführte Wanderungen anbietet, seinen Sitz in Städten hat und seine Aktivitäten in der weiteren Umgebung entfaltet. Oft bieten Wandervereine ihren Mitgliedern und der interessierten Öffentlichkeit Vortragsabende an, bewirtschaften eigene Hütten und markieren und pflegen ihre eigenen Wanderwege. Aber braucht man in Zeiten von Internet und Social Media überhaupt noch einen Verein, der Wanderungen für andere organisiert?
Wandervereine in Deutschland
Die meisten Wandervereine in Deutschland wurden im Rahmen der Wanderbewegung um das Jahr 1900 gegründet. Schon im Jahr 1883 schlossen sich die einzelnen Vereine dann im Dachverband Deutscher Gebirgs- und Wandervereine zusammen. Dieser vertritt als Deutscher Wanderverband mit Sitz in Kassel die Interessen der Wanderer in Deutschland. In ihm sind 58 regionale Mitgliedsvereine mit rund 600.000 Mitgliedern in mehr als 3.000 Ortsgruppen organisiert. (Quelle: Deutscher Wanderverband: Zahlen und Fakten 2012)
Die Mitgliedsvereine bieten zahllose Tages- und Mehrtageswanderungen sowie andere Freizeitaktivitäten an. Daneben markieren und pflegen Wandervereine 200.000 Kilometer Wanderwege in Deutschland, unterhalten eigene Hütten und geben Wanderkarten, Wanderliteratur und Heimatzeitschriften heraus. (Quelle: Deutscher Wanderverband)
Das Comeback des Wanderns
Wandervereine blicken in Deutschland auf eine langjährige Geschichte und Tradition zurück. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen durch vielfältige Aktivitäten für das Wandern und die Natur zu begeistern. Das hatte auch seine Berechtigung, denn Anfangs gab es kaum ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der körperlichen Betätigung und die Schönheit der Natur. Und gerade die letzten Jahrzehnte hatte das Wandern als Sportart mit einem verstaubten Image zu kämpfen.
Doch das Wandern hat in den letzten Jahren ein beeindruckendes Comeback erlebt und ist heute ein absoluter Trendsport. Für Millionen Deutsche stellt die Bewegung an der frischen Luft und das Naturerlebnis ein idealer Ausgleich zum oft stressigen Alltag da. Selbst jüngere Leute haben das Wandern für sich entdeckt. Doch die neue Wandergeneration hat wenig Interesse an geführten Wanderungen in der Gruppe und möchte lieber spontan und individuell alleine, mit dem Partner oder mit ein paar Freunden die Natur erleben.
Organisierte Wanderungen – Braucht man dazu heute noch einen Verein?
Und auch das Internet und Social Media haben in den letzten Jahren das gesellschaftliche Leben maßgeblich verändert. Millionen Menschen nutzen das Internet und soziale Netzwerke um sich zu informieren und sich mit anderen auszutauschen. Auch über das Thema Wandern. Zwangsläufig hat das auch Auswirkungen auf Wanderaktivitäten und damit auf die Kernziele der Wandervereine: Die Förderung des Wanderns.
Im Internet gibt es unglaublich viele Seiten, Blogs und Portale zum Thema Wandern. Man findet unzählige Informationen zu Wandertouren und kann sich den Streckenverlauf als GPS-Track runterladen. Dadurch braucht man eigentlich niemanden mehr, der eine Wanderung ausarbeitet und unterwegs mit der Wanderkarte den Weg bestimmt. Mit einem GPS-Empfänger kann jeder sein eigener Wanderführer auf seiner persönlichen Wunschtour sein. Über das Internet und soziale Netzwerke können Wanderbegeisterte außerdem leicht Gleichgesinnte finden und sich mit ihnen vernetzen. Und wer nicht alleine wandern möchte, kann sich gut über Communitys, Facebook, Twitter und Co. mit anderen zum Wandern verabreden oder sich anderen anschließen.
Ich habe mich schon öfters mit anderen Leuten über soziale Netzwerke zum Wandern verabredet. Auch mit Leuten, die ich vorher nur über das Internet kannte. Dadurch habe ich bereits viele neue Menschen kennen gelernt und war schon in Gegenden unterwegs, die ich vorher wahrscheinlich nicht erkundet hätte. Auch ohne Mitglied in einem Verein zu sein.
Tatsache ist: Gemeinsame Wanderungen können und werden heute auch über das Internet und Social Media organisiert und man ist dafür eigentlich nicht mehr auf einen Wanderverein angewiesen. Und geführte Wanderungen haben durch GPS auch nicht mehr den Stellenwert, wie früher.
Sonstiges Engagement
Natürlich engagieren sich Wandervereine noch in anderen Bereichen und setzen sich für die Jugendarbeit und den Naturschutz ein. Und das finde ich richtig gut. Sicherlich nehmen einige Menschen auch die angebotenen Aktivitäten der Wandervereine war und sind froh darüber. Aber selbst die Pflege und Markierung von Wanderwegen hat durch GPS und die Aktivitäten der Tourismusverbände nicht mehr so eine hohe Relevanz. Und auch Vorträge rund um das Thema Wandern werden mittlerweile von vielen anderen veranstaltet. Und Wanderkarten, Wanderliteratur und Zeitschriften gibt es ebenfalls zuhauf.
Leider konnte ich zu der Entwicklung der Mitgliedszahlen in den Vereinen nichts in Erfahrung bringen. Wäre sicherlich in diesem thematischen Zusammenhang interessant gewesen.
Was mein ihr?
Hat sich mittlerweile das Kernziel von Wandervereinen überholt? Warum braucht man überhaupt noch einen Verein, der Wanderungen für andere organisiert? Oder leisten Wandervereine weiterhin einen unverzichtbaren Beitrag zur Förderung des Wanderns?
Eure Meinung interessiert mich!
Das Kernziel von Wandervereinen nicht, aber die starren Strukturen. Weil Sie über Jahre gewachsen sind, sind sie unbeweglich geworden.
Oft ist es leider so das genau die Leute an den Schaltstellen in den Vereinen sitzen die vieles mit aufgebaut haben. Deshalb sind neue Ideen nicht gefragt, um Ihre eigenen Verdienste nicht zu schmälern.
In den Socialmedias kann man sich denen Anschliessen wo man sich anschliessen will. Ich sehe es als Bereicherung zu den traditionellen Vereinen.
Ich will nicht nur hier vor Ort mit Leuten zusammenkommen, sondern auch in anderen Gebieten, das kann mir kein Verein bieten. Ich finde es auch toll,
wenn andere Blogger ihre Tests veröffentlichen und ihre neusten Routen veröffentlichen.
Hi Stephan, danke für deinen Kommentar. Ich vermute auch, dass die starren Strukturen ihren Teil dazu beitragen, dass das Internet zu einer „Konkurrenz“ für Wandervereine geworden ist und nicht von allen Vereinen als Chance genutzt wird.
Hallo Jens,
ich stelle die Frage mal anders: Braucht man heute noch Reisebüros? Oder: Braucht man heute noch den klassischen Reiseführer? Die Antwort lautet Nein und Ja. „Nein“, würdest wahrscheinlich du sagen. Und ich auch. Und noch so ein paar andere Personen, die wir hier im Netz kennen.
„Ja“, sagen Menschen, die nicht netzaffin sind. Und ich stelle immer wieder (mit Erschrecken) fest, dass diese Gruppe in ihrer Größe nicht unterschätzt werden sollte. Ich kenne Mitt-Dreißiger ohne Smartphone und ich kenne genug Menschen, die keine Lust haben, sich mit GPS, Tracks, Blogs und ähnlichen Dingen rund ums Wandern/Reisen herumzuschlagen.
Diese Menschen wollen ein vorgefertigtes Produkt, aus welchen Gründen auch immer – sei es, weil sie sich nach einem Arbeitstag noch um zwei Kinder zu kümmern haben oder sei es, weil sie schlicht Angst vor Technik (Web, gpx-Dateien etc.) haben.
Daher denke ich schon, dass Wandervereine ihre Berechtigung haben. Da hast du einen Wander-Termin, schließt dich der Gruppe an und kommst (hoffentlich) glücklich und zufrieden und ohne, dass du Verantwortung tragen musstest, zuhause wieder an.
Aber ich muss auch dem Kommentator Stephan zustimmen: Wandervereine sind stur und unflexibel. Diese Erfahrung musste ich mittlerweile mit zwei großen und bundesweit bekannten Vereinen durch meine Arbeit machen. Mir scheint, da sitzt man auf dem großen Namen mit seiner langen Tradition und hat es nicht nötig, sich zu bewegen. Das ist natürlich eine fatale Außenwirkung.
Übrigens, zu deinem Abschnitt „Sonstiges Engagement“: Selbst viele, relativ junge Mitglieder in Wandervereinen haben kein GPS-Gerät. Ich bin ja selber in einem Verein Mitglied und kenne einige Vereinsmitglieder (teilweise U40), die noch nie ein GPS-Gerät benutzt haben.
Außerdem bin ich beruflich sehr oft in Kontakt mit Tourismusverbänden und Touristinformationen. Und ich habe dort schon einiges erlebt, wo ich aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus kam. Woran liegt das? Ganz einfach: Die Personen, die dort sitzen und eventuell Wandertouren in ihrer Region ausarbeiten, sind nicht zwangsläufig auch Wanderer. Letzten Monat haben sie vielleicht noch in der Nachbarstadt Eintrittskarten fürs Museum verkauft und heute dürfen sie Schilder aufstellen ohne zu wissen, was der Wanderer eigentlich benötigt/möchte und ohne eigene praktische Erfahrung.
Ich kann dir da einige Geschichten erzählen. Aber das sollte ich leider eben auch nicht hier im Netz machen ;-)
Viele Grüße
Michael
Hi Michael, danke für deinen Beitrag zur Diskussion und vor allem für deine persönlichen Erfahrungen. Ich meine auch, dass Wandervereine für viele Menschen (noch) eine Berechtigung haben. Eben aus den Gründen, die du aufgeführt hast. Aber ich glaube, diese Gruppe wird immer kleiner werden. Daher müssen sich auch Wandervereine den Herausforderungen des Internets stellen und es als Chance begreifen. Einige machen das ja auch schon.
“ Ich kenne Mitt-Dreißiger ohne Smartphone und ich kenne genug Menschen, die keine Lust haben, sich mit GPS, Tracks, Blogs und ähnlichen Dingen rund ums Wandern/Reisen herumzuschlagen.
Diese Menschen wollen ein vorgefertigtes Produkt,…“
Noch holzschnittartiger geht es wohl nicht?
Man kann auch erschreckenderweise nicht netzaffin sein, weil man einfach keinen Bock auf diese permanente Onlinedemenz hat. Man braucht nicht für alles das Netz und wieso findet man nur im Internet die Alternative zum „vorgefertigte(n) Produkt“?
Das erinnert mich an meine Zeit im Einzelhandel. Da kamen auch immer die Erstsemester aus der Uni um die Ecke um sich mit GPS-Geräten auszustatten. Begründung: Ich will Rennrad/MTB-Touren aus dem Netz laden, nachfahren und so den mir unbekannten Odenwald kennenlernen. Meine Antwort: „Fahr einfach los, ob mit Papierkarte oder digitaler Variante und lerne selber die Gegend kennen. Finde eigene Wege“. Das hat aber keiner verstanden.
Zitat: Meine Antwort: „Fahr einfach los, ob mit
Papierkarte oder digitaler Variante und lerne selber die Gegend kennen.
Finde eigene Wege“.
Gebe ich dir völlig Recht Alex. Ich gehe auch meine eigenen
Wege und finde diese auch. Es erleichtert aber wenn man einen
bestimmten Weg zu finden. Betreibe selber eine Webseite zu einem
Höhenweg und wäre damals froh gewesen wenn es diese
im WWW gegeben hätte. Finde auch das man erst mal lernen
sollte mit einer Papierkarte umzugehen, denn was machen wenn das
elektronische Ding mal versagt.
Morgen werde ich Rund um den Feldberg gehen, sobald ich die Unterlagen
habe werde ich den Kapellenweg im Hochschwarzwald gehen. Ich bin froh
das ich die Daten im Netz gefunden habe, sonst hätte ich
mühseligst das zusammensuchen müssen
Zitat: Zitat: Noch holzschnittartiger geht es wohl nicht? Man kann auch erschreckenderweise nicht netzaffin sein, weil man einfach keinen Bock auf diese permanente Onlinedemenz hat. Man braucht nicht für alles das Netz und wieso findet man nur im Internet die Alternative zum “vorgefertigte(n) Produkt”?
Für mich ist das Web, die Blogs und die Online Communities
eigentlich eine Hilfe mit Menschen vor Ort in Kontakt zu treten, die
ich sonst nie kennen lernen könnte. Aber auch Routen wie der
Westweg etc. zu planen. Nimmt das Thema Geocaching dann ist das Web
eigentlich der Anlaufpunkt schlecht hin.
Man kann jedes Hilfsmittel so oder so nutzen. Es ist für mich wichtig das ich mehr draussen zu sein, wie im Netz.