Dies ist ein Gastbeitrag von Steve. Steve schreibt auf Uptothetop über Trailrunning, Außergewöhnliche Projekte, Tourenberichte, Interviews, Ausrüstungstests u.v.m.
Es kommt nicht selten vor, dass ich von Wanderern etwas verwundert angeschaut werde. Das Spektrum reicht dabei von neugierigen Blicken bis hin zu unverständlichem Kopfschütteln. Nein, mir wächst keine zweite Nase im Gesicht und ich bin auch keine drei Meter groß…ich laufe nur die Berge rauf und runter. Früher nannte man so etwas Berglauf oder Crosslauf; heute nennt man es Trailrunning.
Worum es primär beim Trailrunning geht, ist relativ schnell und einfach erklärt. Es geht um „Trails“ und „Running“, also um das Laufen abseits von Asphalt, auf Waldwegen, ausgetretenen Pfaden, schmalen Steigen, Schotterpisten oder verfallenen Wegen. Es muss dabei nicht rasant rauf und runter gehen, denn im Vordergrund steht zunächst die Welt abseits des asphaltierten Untergrunds. Natürlich lässt sich ein gewisser Anteil an asphaltierten Passagen nur selten vermeiden, aber als Trailrunner versucht man diesen möglichst gering zu halten und mit der Zeit bekommt man ein Auge für den Trail. Man entdeckt Wege abseits bekannter Laufstrecken, die einen in eine Welt führen können, die nicht weit weg vom Bekannten liegt und doch so unendlich fern erscheint. Abwechslung, eine unendliche Vielfalt an Kombinationsmöglichkeiten, jeden Tag eine andere Strecke, jeden Tag andere Bilder, jeder Tag ein neuer Trail.
Man wird vom Trail angesaugt und irgendwann auch wieder ausgespuckt!
Im Vordergrund eines jeden Trailruns steht das Erlebnis. Die Zeit rückt in den Hintergrund. Wer einen 15 Kilometer langen Trail an der Ostsee läuft, kann die gelaufene Zeit nicht mit der Zeit von 15 Kilometern auf bergigen Alpentrails vergleichen. Zeiten sind relativ und lassen sich nicht vergleichen, außer man hat eine feste Strecke, die man auf Zeit läuft.
„Dem Glücklichen schlägt keine Stunde“ und so ist es auch beim Trailrunning. Trailrunner erleben viele Glücksmomente, schauen dabei zwar auch auf die Uhr, stellen die Zeit aber meistens hinten an.
Natürlich spielt die Zeit bei der Planung eine Rolle, schließlich möchte man im Vorfeld wissen, wie lange man unterwegs ist und ob die geplante Tour überhaupt machbar ist. Hat man für eine Tour ein ungefähres Zeitfenster ermittelt und stellt am Ende fest, dass man deutlich unter der Zeit liegt, kann diese Erkenntnis auf die letzten Kilometer schon sehr beflügelnd wirken.
So erging es mir zum Beispiel einmal auf einer Königssee-Umrundung, als ich im Vorfeld 13-15 Stunden veranschlagt hatte und am Ende merkte, dass 12 Stunden durchaus drin sind. Da beißt man noch mal auf die Zähne, nimmt die Beine in die Hand und stürzt sich in den letzten Downhill. Je näher ich dem Ziel kam und je wahrscheinlicher die Zeit unter 12 Stunden wurde, desto breiter wurde auch das Grinsen. Ein geniales Gefühl und irgendwie auch sehr emotional.
Ich habe mich auch schon dabei erwischt, wie ich im finalen Downhill auf einmal angefangen habe, zu der Musik aus dem MP3-Player zu klatschen und zu singen. Das mag auf den ein oder anderen etwas befremdlich wirken, aber so ist das eben.
Die meistgestellte Frage ist immer:
Kann man, wenn man durch die Berge rennt, überhaupt von Genuss und Erholung sprechen? Ich sage ganz klar: JA!
Für Wanderer scheint es oft sehr befremdlich zu wirken, wenn sie auf Trailrunner treffen. Während sie gemütlich, mit teilweise riesigem Gepäck, nach oben gehen, Pausen einlegen zum Essen, Trinken und Fotografieren oder einfach nur um die Aussicht zu genießen, rennen diese komischen Typen mit leichtem Rucksack die Berge hoch und runter und tragen dabei keine ordentlichen Wanderschuhe sondern nur „Turnschuhe“. Von Genuss kann da doch keine Rede sein und ein Auge für die Bergwelt haben sie auch nicht. „Ohh, doch!“
Natürlich bleiben auch Trailrunner mal stehen zum Fotografieren, Essen, Trinken, für eine kurze Verschnaufpause und oft ergibt sich sogar ein kurzer Smalltalk mit Wanderern; sogar auf die umliegende Bergwelt hat man immer ein Auge, denn selbst bei hoher Geschwindigkeit ist der Blick nicht immer starr auf den Boden gerichtet.
OK, aber warum rennen diese Typen denn jetzt? Weil es tierischen Spaß macht!
Natürlich steht der Spaßfaktor ganz oben, denn warum sollte ich etwas machen, was mir keinen Spaß macht. Hinzu kommt, dass Trailrunning nicht mehr und nicht weniger schädlich für die Knie und den Bewegungsapparat ist wie das Wandern; vorausgesetzt man bewegt sich richtig. Ein weiterer positiver Effekt ist die Geschwindigkeit, die es erlaubt, Tagestouren auf gemütliche Runden nach dem Feierabend zu verkürzen oder Mehrtagestouren auf einen Tag zu komprimieren. Das bringt uns wieder zu den Eindrücken und dem Genießen, denn wer an einem Tag zum Beispiel um den Königssee läuft, der hat in kürzester Zeit Eindrücke, Bilder und Ausblicke, für die Wanderer mehrere Tage benötigen. Die Geschwindigkeit lässt einen zudem etwas flexibler auf das Wetter reagieren, wobei dies aber nur eine nebensächliche Rolle spielt, denn: Bei gutem Wetter kanns jeder!
Na, Interesse geweckt?
Für den Einstieg ins Trailrunning benötigt man nicht viel. Das Wichtigste sind gute Trailrunningschuhe und da gibt es auf dem Markt mittlerweile eine große Auswahl verschiedenster Hersteller. Normale Laufschuhe gehen natürlich auch, nur bieten Trailrunningschuhe ein paar wesentliche Vorteile. Neben besserem Grip bieten die meisten Modelle eine bessere Dämpfung und eine größere Stabilität im Fersenbereich; aber auch hier gibt es einen Trend, hin zu minimalistischem Schuhwerk, dass aber für den Anfänger nicht geeignet ist.
Für lange und ausgedehnte Touren bietet sich ein Laufrucksack und eventuell ein leichtes Paar Trekkingstöcke an. Der Rucksack sollte genügend Platz für diverse Ausrüstungsgegenstände bieten, die man während der Tour gebrauchen kann, sollte aber auch nicht zu groß sein, denn sonst packt man nur zu viel Kram ein, den man sowieso nicht benötigt. Zudem sollte sich der Rucksack gut fixieren lassen und eng am Rücken anliegen, um beim Laufen nicht zu stören. Am besten sind natürlich Rucksäcke, die man so gut wie gar nicht spürt und die keinen Einfluss auf den Laufstil und den Bewegungsablauf nehmen.
Wer glaubt, seine Laufzeiten von der Straße auf den Trail übertragen zu können, liegt falsch…zumindest am Anfang. Es ist eine völlig andere Art zu laufen und gerade wenn noch Höhenmeter dazu kommen, dann ist man für 6 Kilometer schon mal eine Stunde und länger unterwegs, obwohl man dafür auf der Straße vielleicht nicht einmal 30 Minuten benötigen würde. Also nicht sofort entmutigen lassen, die Zeit hinten anstellen und auf das Wesentliche konzentrieren: Den Trail, das Drumherum, die Eindrücke, die Gefühle…
Im Prinzip gibt es also nicht viele Unterschiede zwischen Wanderern, „Straßenläufern“ und Trailrunnern…oder doch? Um das heraus zu bekommen gibt es nur eine Möglichkeit: Schuhe an und raus auf den Trail!
Der Trail liegt oft genau vor deiner Haustür und wartet nur auf dich! Worauf wartest du noch?
Geniale Sache…danke dir fürs veröffentlichen.
Spread the word of trailrunning!
Ich danke dir, für den tollen Gastbeitrag!
@Steve – Toller Beitrag. Und das Du Deine Touren über die Maßen genießt liest man in Deinen Blogbeiträgen auch einfach raus. Danke für die gute Zusammenfassung.
Danke dir…das Genießen steht ganz oben bei solchen Touren/Läufen
Toller Beitrag, da will man gleich die Turnschuhe anziehen und loslaufen. Ich bin noch nie gerne auf Straßen gerannt, aber im Wald im Flachland ist ja nun auch nicht so aufregend wie auf Berge ;) Hab aber auch den starken Eindruck, dass das Ganze ein gewisses Suchtpotential birgt…
Süchtig macht es auf jeden Fall und auch in der Ebene finden sich tolle Trails. Einfach die Augen offen halten und schon findet man tolle Wege, die einem einzigartige Erlebnisse bieten können.
Toller Beitrag und Fotos!
Ich ringe ja schon seit Jahren mit dem inneren Schweinehund um auch mal das Laufen anzufangen. Zuvor sollte ich aber wohl einen Termin beim Podologen ausmachen wegen den Knie Problemen die ich vor allem bei längeren Wanderungen festgestellt habe …
Bei mir hat es auch etwas gedauert, bis ich „richtig“ zum Laufen gefunden habe.
Bei Problemen mit dem Knie, ist ein Besuch beim Arzt auf jeden Fall ratsam. Oft sind es die falschen Schuhe oder der falsche Laufstil, die sich bei längeren Strecken negativ auswirken.
Nur nichts übers „Knie brechen“, denn sonst rückt der Schmerz am Ende in den Vordergrund und verdrängt das Erlebnis.
Wodrauf ich warte?
Auf den Postboten! Dann kann ich nämlich erst entscheiden, welchen Pack ich mir morgen auf meiner Runde durch die Eifel auf den Rücken schnalle! Trotz geplanter Übernachtung, darf der ja auch nicht beim Laufen stören! ;-)
Aber schön mal den Steve auch woanders zu lesen! Zeigt er doch recht gut, dass es nicht immer das 08/15 Outdoorerlebnis sein muss. Hauptsache raus! Egal wie. Ob gemütlich oder flott. Ob bei Sonnenschein oder im strömenden Regen!
Das Wichtigste ist der Spaß!
So ist es: „Bei gutem Wetter kanns jeder!“
Und auch ganz wichtig: Alles was heute an Regen vom Himmel runter kommt, kann morgen nicht mehr runterregnen.
Bei längeren Touren mit Übernachtung, wird in Sachen Gewicht, natürlich noch ein viel größeres Augenmerk auf die Ausrüstung gelegt, aber auf diesem Gebiet bist du ja der Profi.
Ich bin jetzt nach und nach dabei, einige meiner Ausrüstungsgegenstände in puncto Gewicht zu optimieren. Es ist einfach wesentlich entspannter, wenn der Rucksack 400g weniger wiegt.
Macht definitiv Laune, selbst endlich mal den Laufgrund von “vor der Tür” in die nächsten Berge zu verlegen. Danke für den schönen Beitrag!
Gerne und viel Spaß beim Entdecken
Na, wunderbar, jetzt ist der Steve schon hier und demnächst dann hoffentlich auch in Buchform auf meinem Nachttisch.
Vielen Dank für den tollen Beitrag! Perfekt für alle, die gerade am Anfang stehen oder sich auch einfach mal nur ein erster Bild machen wollen.
Haha, so klein ist die Welt des Internetz ;-)
Die Sache mit dem Nachttisch kriegen wir schon hin…dauert nur eben ein bisschen.
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