Während meines Urlaubs im Berchtesgadener Land, habe ich wieder die Gelegenheit genutzt, um mehr über den Tourismus in der Region zu erfahren. Deshalb habe ich mich ein Morgen mit Ursula Wischgoll von der Berchtesgadener Land Tourismus GmbH getroffen und habe mit ihr über den Tourismus und das Wandern im Berchtesgadener Land gesprochen.
Bitte stellen Sie die Urlaubsregion Berchtesgadener Land kurz in zwei-drei Sätzen vor
Das Berchtesgadener Land vereinigt mit dem Rupertiwinkel, dem Atemort Bad Reichenhall/ Bayerisch Gmain und der Region Berchtesgaden-Königssee drei sehr unterschiedliche Urlaubsregionen. Entsprechend groß ist unser Spektrum: Von der einzigartigen Bergwelt über weltbekannte Sehenswürdigkeiten und professionelle Gesundheitsangebote bis hin zu überliefertem Brauchtum und erstklassigen Kulturangeboten.
Welche touristischen Ansätze verfolgen Sie im Berchtesgadener Land?
Trotz der Vielzahl an Urlaubserlebnissen, die im Berchtesgadener Land möglich sind, konzentrieren wir uns auf zwei Schwerpunkthemen: Naturerlebnis und Gesundheit. Diese werden in unterschiedlicher Kombination mit Sport/ Outdoor, Brauchtum/ Kultur sowie Kulinarik aufbereitet.
Gehen Sie selbst regelmäßig Wandern?
Ja, auf jeden Fall. Ab und zu eine kleine Bergtour ist einfach ein Genuss.
Haben Sie eine Lieblingstour in der Region?
Zu meinen liebsten Zielen zählt die Steinerne Agnes (Gütesiegel: Bayerns schönste Geotope) in Bischofswiesen. Hier ist man fast immer allein, denn oben wartet keine Alm oder Berghütte. Dafür führt der Weg über einen wunderbar lichten Wald, wo es immer etwas zu entdecken gibt: Blindschleichen, Orchideen, Schmetterlinge…. Die Brotzeit packe ich nicht direkt an der Agnes aus, sondern suche mir ein gemütliches Plätzchen im trockenen Laub. Der Rückweg führt mich meist nicht auf dem offiziellen Weg zurück, sondern über den Klausbach, der vor allem an warmen Sommertagen herrliche Erfrischung bietet.
Wenn Sie persönlich Urlaub machen, was ist Ihnen dann am wichtigsten?
Eine gute Mischung aus regionalen Besonderheiten, gelebter Gastfreundschaft, Bewegung und Kultur.
Wandern liegt wieder voll im Trend. Warum meinen Sie, ist das so?
Wandern passt zu vielen gesellschaftlichen Themen der heutigen Zeit: Entschleunigung, Naturerlebnis, Gesundheit, Nachhaltigkeit, Kraftorte und Gemeinschaft.
Wie wichtig ist der Wandertourismus für das Berchtesgadener Land?
Naturerlebnis und Gesundheitsangebote auf hohem Niveau sind die beiden Säulen, auf denen der Tourismus im Berchtesgadener Land steht. Beide sind eng mit dem Thema Wandern verknüpft. Wanderer sind also unsere Kernzielgruppe.
Welche neuen Wandertrends können Sie bei Ihren Gästen ausmachen?
Wandern wird immer mehr zu einem umfassenden Erlebnis. Nicht nur der Weg und die Bewegung sind wichtig, sondern gleichzeitig die entsprechende Ausrüstung, gepflegte Einkehrmöglichkeiten, besondere Herausforderungen und Ziele (z.B. 24-Stunden-Wandern oder das Gehen eines Weitwanderweges) sowie eine geistige Komponente, die der Besuch eines geschichtlich interessanten Ausflugsziels oder die Wanderung mit einem geschulten Begleiter sein kann.
Sind Qualitätswanderwege ein Thema, mit dem Sie sich beschäftigen?
Das Berchtesgadener Land bietet eine Vielzahl von schönen Themenwegen in jeder Höhenlage, wie zum Beispiel die historischen Soleleitungswege. Wir arbeiten aktuell mit den Regionen Chiemsee-Alpenland, Chiemgau, Tennengau und Dachstein-Salzkammergut an einem zertifizierten, grenzüberschreitenden Premiumwanderweg „SalzAlpenSteig“. Dieser wird auf einer Länge von ca. 230 Kilometern vom Chiemsee über den Königssee zum Hallstädter See führen, und wird 2014 eröffnet.
Was kann in touristischer Hinsicht für Wanderer im Berchtesgadener Land noch verbessert werden?
Das Berchtesgadener Land bietet mit über 1000 km Wanderwegen reizvolle Wandererlebnisse in jedem Schwierigkeitsgrad. Bergbahnen und Almerlebnisbus bringen die Wanderer direkt in die Berge, Almen und Berghütten sorgen für Ruhepausen und die passende Brotzeit. Zahlreiche Touren in Begleitung von Bergführern oder Nationalpark-Rangern werden angeboten. Und auch unsere Gastgeber stehen ihren Gästen mit Rat und Tat bei der Planung ihrer Touren zur Seite. Die Ausschilderung der Wanderwege wurde vor zwei Jahren komplett überarbeitet und erneuert.
Tourenvorschläge können per GPS von unserer Homepage übernommen werden und Ausrüstung kann bei mehreren Bergsportexperten erworben werden. Verbessern können wir uns also vor allem noch in den Details: Noch bessere Pflege und Absicherung der Wege, noch bessere Anbindung der meist frequentierten Startpunkte durch öffentliche Verkehrsmittel, noch engere Zusammenarbeit mit dem Nationalpark Berchtesgaden und den Bergführern oder Entwicklung kulinarischer Besonderheiten in Zusammenarbeit mit Berghütten und Almen.
Wie sieht in Ihren Augen die Zukunft des Wander-Tourismus aus?
Wir können davon ausgehen, dass Wandern auch langfristig von großer Bedeutung für die Menschen und damit für den Tourismus bleibt. Die Altersstruktur wird sich weiterhin nach oben entwickeln, gleichzeitig bleiben die Menschen gesünder, gesundheitsbewusster und bewegungsfreudiger. Ein moderater Sport wie das Wandern, der Bewegung mit einer Vielzahl anderer Erlebnisse kombinierbar macht, bleibt also sicher aktuell.
Wie wichtig ist das Thema sanfter Tourismus bzw. nachhaltiger Tourismus für Ihre Urlaubsgäste?
Unsere Gäste suchen das Naturerlebnis, gehen daher selbst entsprechend sensibel mit ihrer Umwelt um und erwarten dies zu Recht vom gewählten Urlaubsort. Auch mit dem einzigen deutschen Nationalpark in den Alpen sind wir diesem Thema verpflichtet. Berchtesgaden und Bad Reichenhall sind außerdem zwei von 28 „Alpine Pearls“ im europäischen Alpenraum. Diese Marketing-Gemeinschaft hat sich strengen Kriterien verpflichtet, die für sanfte Mobilität, Nachhaltigkeit und Klimaschutz im Tourismus stehen.
Sie setzen bei Ihrer Arbeit stark auf Social Media. Bei Facebook hat die Seite des Berchtesgadener Land Tourismus schon über 20.000 Fans. Eine beeindruckende Zahl. Welche Erfahrungen haben Sie mit Facebook & Co. gemacht?
Unsere Erfahrungen mit Social Media sind durchweg positiv: Auf Facebook sind wir ganz nah bei unseren Gästen. Die direkte Kommunikation leistet einen wesentlichen Beitrag zur Kundenbindung. Aber nicht nur Facebook, auch unser Blog und der YouTube-Kanal sind wichtige neue Kommunikationsplattformen. Es ist heutzutage unverzichtbar, eine Urlaubsregion lebendig, aktuell und sympathisch zu zeigen und das gelingt über Social Media oft besser als über klassische Druckerzeugnisse.
Wie schätzen Sie die Wichtigkeit von Social Media in der Tourismusbranche ein?
Social Media kann nicht nur für die Kundenbindung eine zentrale Rolle spielen, sondern auch bei der Kundengewinnung: Tatsächlich sind die sozialen Netzwerke die digitale Version der Mundpropaganda: Persönliche Empfehlungen von Freunden sind glaubwürdiger als jede Werbeanzeige, und hier können Facebook & Co. ihre Stärken voll ausspielen. Gerne schreiben unsere Facebook-Fans wie sehr ihnen der Aufenthalt im Berchtesgadener Land gefallen hat und posten dazu ihre schönsten Urlaubsbilder. Diese ungefilterten Informationen werden für Kaufentscheidungen und für die Wahl des nächsten Urlaubziels in Zukunft noch wichtiger werden.
Das Berchtesgadener Land Tourismus beteiligt sich an der Internetseite „Hike-Society“. Was verbirgt sich dahinter?
Die Hike Society ist eine Online Community zum Thema Wandern mit dem Motto „Pure Wanderlust“. Wanderbegeisterte Internetuser können sich dort zu ihrem Lieblingsthema austauschen. Man kann unter anderem Wanderberichte schreiben, Lieblingsorte und Wanderrouten anlegen oder einfach nur seine schönsten Wanderbilder posten. Ziel ist es, andere Wanderfans an seinen schönsten Erlebnissen teilhaben zu lassen. Umgekehrt kann man sich natürlich auch selbst Tipps für zukünftige Touren holen. Hinter der Hike Society stecken übrigens einige der schönsten Wanderregionen Europas, von der Ostsee bis Norditalien.
Was war für Sie die Motivation, sich an dem Projekt zu beteiligen?
Interessant für uns war die Möglichkeit einer themenspezifischen regionsübergreifenden Zusammenarbeit. Gegenseitiger Erfahrungsaustausch und eine damit einhergehende Verbesserung des eigenen Angebots ist uns ausgesprochen wichtig. Gleichzeitig nutzt die Hike Society aktuelle Kommunikationsformen und ist damit sehr nah an der Zielgruppe. Durch den direkten Kontakt bekommen wir ein Gespür dafür, was die Zielgruppe bewegt. Und natürlich erwarten wir uns von einem gemeinsamen Auftritt mit anderen namhaften Wanderdestinationen einen positiven Imagegewinn.
Können Sie ein erstes Resümee ziehen?
Die Webseite startete im Juni 2011. Im ersten Jahr gab es noch zu wenige Funktionen für den User, um sich aktiv zu beteiligen. Seit Mai 2012 ist die neue Webseite online, wesentlich interaktiver und mit vielen neuen Funktionen. Die Community entwickelt sich entsprechend positiv. Insbesondere der Hike Society Sommerjob war ein großer Erfolg. In Form eines Wettbewerbs haben wir eine/n begeisterte/n Wanderer/in gesucht, um innerhalb von acht Wochen alle acht Mitglieds-Regionen zu besuchen. Die Gewinnerin Nadine Hein hat es mit ihrer lebendigen Art geschafft, in ihren Wanderberichten ihre Erlebnisse „fühlbar“ zu machen. In nächster Zeit wird es neue interessante Kooperationspartner geben, aber mehr möchten wir noch nicht verraten.
Worin besteht in den nächsten Jahren die größte Herausforderung für den Tourismus im Berchtesgadener Land?
Das Berchtesgadener Land kann viele sehr gute Hotels, Pensionen, Gasthöfe und Ferienwohnungen vorweisen. Trotzdem ist genau auf diesem Sektor noch großer Bedarf in unserer Region. Vor allem spezialisierte Gastgeber, die gezielt den Wellnessgast, den ökologisch verantwortungsbewussten Reisenden oder die Familie ansprechen oder auf die Bedürfnisse des Gastes mit Handicap ausgerichtet sind, gibt es noch nicht ausreichend. Darüber hinaus wird es immer eine Herausforderung sein, den bereits hohen Standard in Sachen Service und Infrastruktur kontinuierlich zu verbessern.
Ich bedanke mich ganz herzlich bei Ursula Wischgoll für das Interview und die Zeit, die sie sich dafür genommen hat!